25. November 2006
Der Muskelkater ist ein scheues Tier. Man muss sich schon anstrengen, um ihn kennenzulernen. Er liebt die Berge. Aber, Obacht! Wer trainiert ist, wird ihn niemals treffen. Nur wer sich eine gewisse Naivität bewahrt hat und beim Anblick eines steilen Aufstieg sagt: Wird schon nicht so schlimm sein, hat gute Chancen seiner Gegenwart gewahr zu werden, um es mal geschraubt auszudrücken. Dafür ist der Muskelkater aber ein anhängliches Tier, dass gerne mal so zwei drei Tage bleibt, bis es sich wieder trollt.
Wir haben den Muskelkater im Freycinet National Park getroffen, als wir den Mount Amos bestiegen, immerhin 460 Meter hoch. Leider gibt es ausser Markierungen kaum einen Weg. Und so sind wir teilweise auf allen Vieren über Felsenvorsprünge, glatte Felsplatten und riesige Findlinge gekrochen. Zum ersten Mal haben wir die Abwesenheit von Wanderschuhen bedauert. Joggingschuhe sind doch eher etwas für den Stadtpark. Egal, als wir nach drei Stunden wieder unten waren, war der Tag erst halb um, und wir so voll Energie und Endorphinen, dass wir noch den Weg zur Wineglass Bay dranhängten.
Noch mal drei Stunden hin und zurück. Diesmal war der Weg zwar gut präpariert, ging aber doch erstmal 45 Minuten steil bergauf, mit vielen Treppenstufen, dann 45 Minuten steil bergab, auch wieder mit vielen (zuvielen, wenn man mich fragt) Treppenstufen. Nach 90 Minuten hat man also schweißgebadet einen wunderschönen, weissen Sandstrand erreicht, der wie der Kelch eines Weinglasses geschwungenen ist. Das kann kein Zufall sein, dass der Strand dann auch noch so heißt. Doch dass einzige, woran man denkt, ist der Rückweg. 90 Minuten bergauf, bergab und man hat jetzt schon keine Lust mehr, auch nur einen einzigen Schritt zu tun.
Wer beim Kiesern gern schon mal nach der fünften Wiederholung aufhört, statt nach der siebten, wie ich, lernt nun Demut. Der Berg kennt keine Abkürzung. Meine einzige Freude ist, die Entgegenkommenden so strahlend wie möglich anzulächeln, ihnen ein aufmunterndes Kopfnicken zu gönnen und ihnen damit zu signalisieren, weiter, weiter, es lohnt sich und innerlich zu hoffen, dass sie den Rückweg genauso verfluchen wie ich.
Der Muskelkater kam dann am nächsten Morgen. Keine Ahnung wie er reinkam, das Womo war auf jeden Fall verschlossen. Nun streicht er dauernd um unsere Beine und ist bei der kleinsten Steigung im Weg.